Abschied von Rick
Anlässlich des neuen Pink
Floyd-Albums besuch-
ten wir deren Produzen-
ten Andrew Jackson
Lange ignorierte die Band das
Potenzial des Pink Floyd-Keyboar-
ders Richard Wright - obwohl der
Multiinstrumentalist
nicht
nur
charakteristische Keyboard- wie
Moog-Passagen beisteuerte, son-
dern auch für Kompositionen wie
„The Great Gig In The Sky“, „Us And
Them“ oder „Time“ verantwortlich
zeichnete. Ein Disput mit Ex-Bassist
Roger Waters sorgte gar für seine
Degradierung zum Aushilfsmusiker,
bis ihn Schlagzeuger Nick Mason
und Gitarrist David Gilmour für „The
Division Bell“ rehabilitierten. „Rick
war ein großartiger Musiker und ein
wahnsinnig netter Kerl“, erinnert
sich Andrew Jackson, seit
30
Jahren
CDs
|
NEUES
AUS
DER
M U S I K W E L T
Haus- und Hoftechniker von Pink
Floyd. „Vielleicht sogar zu nett, um
neben Alphatieren wie Roger und
David zu bestehen. Und er stand
nie im Mittelpunkt, weshalb man
meinen konnte, er wäre nicht so
wichtig. Aber das war ein Irrtum,
wie sich
19 9 3 /9 4
zeigte. Denn was
er damals im Studio wie auf der Büh-
ne geleistet hat, war der Wahnsinn.
Und ich denke, die andern vermis-
sen ihn sehr.“
So sorgte Wrights Ableben im
Herbst
2008
denn auch dafür, dass
sich Gilmour jenes Materials erin-
nerte, das als Grundlage für „The
Division Bell“ diente, auf dem legen-
dären Hausboot „Astoria“ entstan-
den und eigentlich als Bonus-Disc
des
1 3
. Pink Floyd-Epos gedacht
war. „Leider hatten wir wegen der
Welttournee keine Zeit, uns darum
zu kümmern“, gibt Jackson zu. „Das
Ganze wanderte ins Archiv, bis David
2012
meinte: „Können wir daraus
etwas machen?“ Es waren fast
20
Stunden Material, aber keine richti-
gen Songs, sondern freie Improvisa-
tionen. Was ja die Essenz von Floyd
ist: So haben sie angefangen, und
das hat ihren Ruf als Mutter aller
bewusstseinserweiternden Bands
begründet.“
Womit Jackson endlose Instru-
mental-Passagen aus Keyboards,
Schlagzeug und Gitarre meint, für
deren Bearbeitung neben ihm noch
Phil Manzanera (Roxy Music) und
Youth (Killing Joke) engagiert wur-
den. Diese geballte Fachkompetenz
hat daraus - wie bei klassischen
Sinfonien - vier Suiten a
15-20
Mi-
nuten zusammengestellt, die unter-
schiedliche Ansätze, Aspekte und
Atmosphären der Sessions bergen.
Sprich: mal dynamisch, mal tiefen-
entspannt, mal spacig-entrückt.
Was Gilmour und Wright noch mit
Overdubs sowie einer Gesangs-
passage versehen haben. Aus der
resultiert „Louder Than Words“, das
einzige konventionelle Stück eines
Albums, das sich ansonsten primär
an eingefleischte Fans richten dürf-
te. „Es wird bestimmt Leute geben,
die damit nichts anfangen können“,
so Jackson. „Nur: Es sind die letzten
Aufnahmen von Rick, auf denen er
richtig glänzt.“
Womit das Kapitel Pink Floyd end-
gültig beendet sei. Eine Tour oder
weitere Alben werde es nicht geben.
Stattdessen bastle Gilmour an einem
Alleingang, der
2015
erscheinen soll.
„Deshalb ist er etwas im Stress. Aber
ich spreche gerne für ihn“, lacht der
O
Techniker.
MarcelAnders
Ö
Pink Floyd: „The Endless River"
(Warner), auch als Doppel-LP erhält-
S lich; Bewertung in ST 12/14
Yusuf
TELL‘EM I’M GONE
Sony Legacy CD (auch als LP erhältlich)
Die Botschaft von „Big Boss Man“
wird durch das Blues/Gospel/
Rock-Arrangement hier anders 'rü-
bergebracht als bei Elvis. Die Deu-
tung von Edgar Winters „Dying To
Live“ als tiefreligiöses Lamento ist
ein Höhepunkt des Albums; originell
die von „You Are My Sunshine“ ; we-
niger gelungen die von Procol Har-
ums „The Devil Came From Kansas“.
Bei Yusufs eigenen Songs ist die
Muddy Waters-Hommage im „Edi-
ting Floor Blues“ brillant realisiert,
ganz große Klasse hat der Ohrwurm
„Cat & The Dog Trap“. So wurde
„Tell ‘Em I’m Gone“, eingespielt mit
Freunden wie Charlie Musselwhite
oder Richard Thompson, ein uner-
wartet großes Spätwerk.
F. Sch.
MUSIK
KLANG
Robert Coyne & Jaki Liebezeit
GOLDEN ARC
Meyer/Rough Trade CD (auch als LP erhältlich) (43’)
Wie schon beim Albumvorgänger
übertragen Coyne (Gitarre, Key-
boards) und Can-Legende Liebezeit
(Drums) Prinzipien der Minimal
Music originell aufs Folkgenre.
Sie beschränken sich aufs absolut
Notwendige, kommen mit extrem
verknappten Rhythmen aus, reihen
kurze Tonfolgen zum sogartigen
Soundstrom aneinander. Coyne
wiederholt zur reduzierten Musik
stoisch Liedverse über finstere
Seelenzustände („Golden Arc“) und
die Hoffnung auf inneren Frieden
(„Lullaby For Myself“). Dem Hörer
lässt das spartanische Ambiente
Raum zum Innehalten: in unserer
reizüberfluteten Zeit ein echtes
Geschenk.
hake
MUSIK ★ ★
KLANG ★ ★ ★ ★
Vashti Bunyan
HEARTLEAP
FatCat/Alive CD (auch als LP erhältlich)
(35’)
Die Reminiszenzen (an die Mutter,
verflossene Liebhaber) und Medi-
tationen (ihrer Autobiographie über
die Jahre mehr oder weniger ab-
gerungen) klingen auch dort noch
wie Erzählungen über Feen und
verwunschene Prinzen, wo sie von
eher traurigen Ereignissen handeln.
Ob der Entschluss der englischen
Sängerin, sich anders als zuletzt
nicht mehr von hochkarätigen
Produzenten
und Arrangeuren
(Joe Boyd und Robert Kirby) helfen
zu lassen, wirklich weise war, sei
dahingestellt. Die Mischung aus
computergenerierten und akus-
tisch musizierenden Streichern
etwa trübt das pure Folk-Feeling
manchmal doch ein.
F. Sch.
MUSIK
★ ★
KLANG
★ ★ ★
Udo Jürgens
MITTEN IM LEBEN
Vertigo/Universal 2 CDs
(126')
Was so ein
8 0
. Geburtstag alles
ausmacht! Plötzlich scheint Udo
Jürgens allseits anerkannt zu sein,
und Kollegen stehen Schlange, um
mit ihm auf der Bühne zu feiern.
Sicher - was der Schlagersänger
da trotz seines Alters vollbringt, ver-
dient Anerkennung. Doch Lieder wie
„Griechischer Wein“ oder „Vielen
Dank für Blumen“ verlieren nicht an
Kitsch, wenn Christina Stürmer, Tim
Bendzko oder Annett Lousian sie
singen. Den meisten Witz beweist
noch Otto mit seinem „Parodie
Medley“. Während Johnny Cash
oder Tom Jones auf ihren grandiosen
Spätwerken neue Wege beschritten,
bleibt Udo Jürgens musikalisch un-
verändert belanglos.
pb
MUSIK -
KLANG ★ ★ ★
134 STEREO 1/2015
★ ★ ★ ★ ★ hervorragend I ★ ★ ★ ★ sehr gut I ★ ★ ★ solide I ★ ★ problematisch I ★ schlecht
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